Betrachtungen über den Orgelbauer Carl Frei jun. 
von Frederic Keller 


»Mit Carl Frei geht nicht nur ein Stück Waldkircher Stadtgeschichte, ...« 

Das schreibt man gewöhnlich, wenn der Feuerwehrkommandant stirbt. Nein - die Welt verliert mit ihm den Orgelbauer, der auf dem bislang neuesten Stand war. Denn, was viele nicht wissen, auch der Karussellorgelbau unterliegt einer musikalischen Entwicklung.

Während sich Gavioli noch ganz an der Militärmusik orientierte, ging bereits Carl Frei sen. völlig neue Wege. Er löste sich vom Orchestervorbild und schuf neue, orgeleigene Klänge. Carl Frei jun. ging diesen Weg weiter, galt es bisher den Zuhörer durch das Imitat zu verblüffen, also eine Illusion herzustellen, setzte nun Carl Frei künstliche Klänge, d.h. suggestive Kräfte an ihre Stelle. Was in der Malerei die blauen Pferde, die es in der Natur nicht gibt, das waren für Carl Frei die Klänge der Register: Bourdon, Celeste, Undamaris, Biphon, die es weder im Orchester noch in der Kirchenorgel gibt. Sie entfalten eine Magie, als wären sie nicht von dieser Welt. 

Im Artikel in der BZ vom 29. März war allerdings kein Raum für die Bedeutung des größten Intonateurs seiner Zeit. Zu schnell wollte man zur Hauptsache kommen, daß nämlich "die Kandelstadt mit Hilfe junger, engagierter Nachfolger eine Renaissance im Orgelbau erlebt". Mit dieser Wortwahl soll der Öffentlichkeit vorgemacht werden, man komme auch ohne ihn ganz gut zurecht. Aber so einfach ist das nicht. Herr Frei hat keine Nachfolger in Waldkirch. Ich möchte an dieser Stelle mit Dank vermerken, daß ich bei dem Meister in der 70er und 80er Jahren lernen durfte. Auch habe ich von ihm auf seinen Vorschlag 1992 den Notenbestand der Firma Frei übernehmen können. Diese Sammlung ist von unschätzbarem Wert. Sie enthält nicht nur Frei-Arrangements, sondern auch viele Noten von Gustav und Eugen Bruder und Walter Rambach. Kurz alles, was Herr Frei nach dem Krieg in Waldkirch noch finden konnte. Der Interessierte sollte erfahren, so meine ich, wo und von wem die Tradition fortgesetzt wird. Außerdem - die hartnäckigen Bezeichnungen "Opas Musikbox" und "Computer" lassen befürchten, daß, wer immer die Feder führt in Waldkirch keine Ahnung hat, worum es sich eigentlich handelt. Diese unsinnigen Spitznamen verraten nicht nur eine geringe Meinung von der Drehorgel, sondern auch eine leichtfertige Unterschätzung des Computers und der Schallplatte.
Niemand würde ernsthaft behaupten, die Musikbox sei ein Computer. Wie soll da die Drehorgel beides zugleich sein? Was die Laterna Magica optisch macht, das geschieht bei der Drehorgel akustisch: Ein Muster wird unverändert projektiert. Die Idee, die dabei verwirklicht wird, ist Kunst und Magie und nicht Technik. Es werden keine Daten verarbeitet und gespeichert. Die Musikbox, schließlich dient dazu, eine Tonaufnahme wiederzugeben. Wie die Fotografie hat diese Technik zum Ziel, einen einmaligen Moment festzuhalten. Sie ist inzwischen so perfektioniert, daß es völlig widersinnig wäre, veraltete Formen davon neu herzustellen. Die Drehorgel hat mit Einmaligem nichts zu schaffen! Sie hat es wie die Karikatur darauf abgesehen, Typisches wiederzugeben. Hauptstilmittel sind dabei Abstraktion und Übertreibung.

Das betrifft im Orgelbau das Notenzeichnen ebenso wie das Intonieren. Übrigens: Carl Frei war ein Meister der Vereinfachung und Übertreibung. In einer Zeit, in der durch die Jagd der Medien nach Einmaligem die Konturen zu verschwimmen beginnen, kommt der mechanischen Musik die Bedeutung einer kulturellen Gegenwelt zu. Mit den tödlichen Begriffen: "Hobby", "Nostalgie" und "Gute alte Zeit" ist da wirklich keine Klarheit geschaffen.

 

 

 

 

 

 

 

Frederic Keller

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Frank Hentschel | mail@frank-hentschel.de